Native Ads als Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Medien
Immer mehr Medienhäuser setzen auf Native Advertising. Peter Eberhard sieht diese Entwicklung kritisch und seht die Glaubwürdigkeit der Medien gefährdet. Native Advertising, Content Marketing, Brand Journalism. Die neuen Buzzwords meinen im Kern alle dasselbe, nämlich Werbung, die wie Journalismus aussieht, es aber nicht ist. Denn es geht darum, Leser/User mit einem Trick an die kommerzielle Botschaft heranzuführen. Man preist nicht direkt das Produkt oder die Dienstleistung an, sondern erzählt eine Geschichte drum herum. Eine Geschichte, die auf den ersten Blick den Eindruck vermittelt, man habe es mit einem klassischen redaktionellen Artikel zu tun. Dem sagt man auch „Storytelling“. Ja, ich weiss, die Verlage haben Richtlinien, wonach sich Native Ads (für die Jüngeren: früher hiess das mal Publireportage oder Advertorial) im Layout klar von den redaktionellen Beiträgen abgrenzen sollten. Aber sagen wir es einmal so: Das wird in der Praxis recht unterschiedlich gehandhabt.
Aus der Not geboren
Doch die Sache scheint vorderhand zu funktionieren. Vor allem in den USA, aber zunehmend auch in Europa, wie etwa eine kürzliche Studie des Content Marketing Forums CMF zu den deutschsprachigen Ländern sagt. Diese neuen Werbeformen verdanken ihren Aufschwung den Problemen, denen sich die klassische Werbung sowohl im Print- wie Onlinebereich gegenübersieht. Rückläufige Auflagezahlen drücken auf die Inserateeinnahmen, und auch Online scheint nicht richtig in Fahrt zu kommen, zumal die Technik Umgehungsmöglichkeiten anbietet wie die zunehmend beliebten Adblocker. Die Ironie übrigens: Ausgerechnet in der Mediengattung Print, der seit Jahren der Niedergang prophezeit wird, werden Anzeigen am meisten beachtet. Wie auch immer ist es angesichts dieser Entwicklungen verständlich, wenn die Medienhäuser nach neuen Einnahmequellen Ausschau halten. Aber ist Native Ad das Ei des Kolumbus im Kampf gegen den Einnahmenschwund bei der klassischen Werbung? Für Christian Lüscher von Tamedia scheint das der Fall zu sein. Jedenfalls hat er sich kürzlich im „Schweizer Journalist“ (6-7/2016) wortreich für diese Werbevariante stark gemacht, die in seinem Haus offenbar als „bezahlte Werbung“ (?) definiert wird. Bemerkenswert der folgende Satz: „Aber die bezahlte Werbung unterscheidet sich weder durch ihren Inhalt noch durch ihre Form wesentlich von einem herkömmlichen journalistischen Inhalt“. Und weiter: „Im Unterschied zu einer klassischen Publireportage wird die Native Ad nicht vom Kunden hergestellt, sondern von einer eigenen internen Native-Redaktion“. Mit Verlaub, das ist Augenwischerei. Selbstverständlich enthält eine Native Ad – im Gegensatz zu einem rein redaktionellen Beitrag – nur Inhalte im Interesse des Auftraggebers, dafür bezahlt er schliesslich. Und dann zum Schluss als Sahnehäubchen: „Native Advertising ist die kommende Königsdisziplin im Journalismus.“ Da halte ich es eher mit Rainer Stadler, der das Dilemma kürzlich in der NZZ auf den Punkt gebracht hat: „Sowohl Verleger wie Werbewirtschaft müssen aus wirtschaftlichem Kalkül daran interessiert sein, die Glaubwürdigkeit einer unabhängigen Publizistik zu bewahren. Aber gleichzeitig zielt man auf deren Unterwanderung, indem die gestalterische Differenz zu kommerziellen Botschaften möglichst gering gehalten wird.“
Glaubwürdigkeit zur Disposition gestellt?
Nun mag es überraschen, wenn ausgerechnet ein PR-Mensch die Entwicklung von Native Ad & Co. mit Unbehagen beobachtet. Eröffnet sich unserer Branche damit nicht ein interessantes, weil umsatzträchtiges Tummelfeld, denn wir PR-Schaffenden sind es doch, die seit jeher viel eher mit journalistischen Stilmitteln arbeiten als die Werber? Das mag auf den ersten Blick und kurz- bis mittelfristig sein. Aber ganz so einfach ist es nicht. Professionelle, sprich effiziente PR sind bei allem Medienwandel nach wie vor auf glaubwürdige (ob klassische oder nicht-klassische) Medien für den Transport ihrer – wohlverstanden auch interessengeleiteten – Botschaften angewiesen. Die Medien ihrerseits verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn sich die Grenzen zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbebotschaften zusehends verwischen. Da müssten doch eigentlich beide am gleichen Strick ziehen. Kommt dazu, dass Journalisten wie PR-Schaffende ethische Kodizes kennen, denen sie sich verpflichtet fühlen (sollten). Immerhin liest man im PR-Kodex von Lissabon (für Mitglieder des Berufsverbands pr suisse übrigens verbindlich): „Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.“ Und: „PR-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.“ Dass die Branche selbst solche Kodizes aufgestellt hat, hat seine guten Gründe, denn nicht nur die Glaubwürdigkeit der Medien, sondern auch die der PR-Branche steht langfristig auf dem Prüfstand. Ein Don Quijote-Ritt angesichts der aktuellen Marktentwicklung? Falls Native Ad & Co. überhandnehmen, ist zu vermuten, dass die Resistenz der Leser und User gegenüber solchen mehr oder weniger kaschierten Werbeformen zu- und damit gleichzeitig die Wirkung abnimmt. Man sollte die Intelligenz und Aufmerksamkeit des Publikums nicht unterschätzen. Alle am Spiel Beteiligten tun deshalb gut daran, sich reiflich zu überlegen, ob und wie sie solche Instrumente einsetzen. Wie auch immer: Das Thema wird uns in Zukunft mit Sicherheit noch intensiver beschäftigen als bisher.